«Jazz am Gleis» brachte dem Bahnhof-Café zweimal volles Haus
(pw/gh) Der Jazzclub Greifensee und das Team vom Gleis1 organisierten im April kurzfristig einen Boogie-Woogie-Abend, an dem sie selber einige Überraschungen erlebten. Eine Woche später stand am 2. Mai mit dem jungen Pianisten Valentin Ammann ein weiteres musikalisches Highlight auf dem Programm.
«We never had so much fun, playing in a bar or in a train station»*, rief Sängerin Emilie (Sweetie) Richard aus den USA nach dem letzten Song ins Mikrophon. Chase Garrett, Chris Conz und Fanny Bieler nickten unterstützend. Und das begeisterte Publikum im dicht besetzten Gleis1 antwortete mit langanhaltendem Applaus. Eine Überraschung nach der anderen Dabei war alles ganz spontan entstanden: Eine Woche zuvor hatten sich Felix Pfister, Präsident des Jazzclubs Greifensee, und Martin Meier vom Gleis1 mit dem Zürcher Boogie-Woogie-Star Chris Conz zu einem Gespräch getroffen. Dabei erwähnte dieser fast beiläufig, er habe ein paar Tage später zwei gute Freunde aus den USA zu Gast, die in Uster ein Konzert gäben. Er könnte ihnen doch für den Folgeabend einen spontanen Auftritt im Gleis1 vorschlagen? Die Idee kam gut an; nicht nur bei Pfister und Meier, sondern per Whatsapp auch bei den beiden Künstlern. Sie sagten spontan zu. Felix Pfister reichte sofort einen Hinweis zur Publikation in den NaG ein. Das Gleis1-Team aktivierte die Social-Media- Kanäle und stellte eine Hinweistafel vor die Tür. Als Chris Conz ihm am Tag des abgemachten Abends ankündigte, er würde spontan sein Schlagzeug mitnehmen, staunte Meier nicht schlecht.
Und als Conz am Abend auch noch mit seiner 17-jährigen Boogie-Woogie-Schülerin Fanny Bieler auftauchte, war die Überraschung komplett. Was so spontan entsteht, kann eigentlich nur gut werden. Emilie (Sweetie) Richard und ihr Ehemann Chase Garrett am Piano präsentierten Boogie Woogie und R&B vom Besten. Chris Conz ergänzte als Schlagzeuger. Als er Fanny Bieler ans Piano rief, warnte er schmunzelnd: «Nicht zu schnell, gell». Und schon rasten ihre Finger mit atemberaubendem Tempo über die Klaviatur und brachten das Publikum ins Staunen. Schneller Beat im Bahnhof Der Ort hätte für Boogie Woogie passender nicht sein können, wie Emilie und Chase später erzählten. Während der Songs fiel ihnen jeweils das flackernde Licht der durchrasenden S5 auf, oder sie sahen die ankommenden S9 und die S14. «Boogie Woogie und die Eisenbahn gehören eng zusammen», erklärte Emilie. Das Stück «Honky Tonk Train Blues», in dem Meade «Lux» Lewis die ratternden Zuggeräusche imitierte, war vor rund 80 Jahren Inspiration für den extremen Beat des Boogie-Woogie und damit Auslöser einer ganzen Musikwelle. Das Stück wurde zum eigentlichen Boogiestandard und von zahlreichen Pianisten interpretiert. Auch der Wohnort von Emilie und Chase war ursprünglich ein grosser Eisenbahnknoten. Sie leben in der Boogie- Woogie-Hochburg St Louis, am östlichen Mississippiufer im Bundesstaat Illinois, wo sie sich 2015 in einem Piano- und Pizzalokal kennenlernten und sich bald verliebten. Ihre Heirat fand im letzten September statt. Freund Chris Conz war dabei. Ihr Geld verdienen sie als Musiklehrer. Chase gibt Pianolektionen, Emilie Gesangsstunden. Fast täglich sind sie für Konzerte unterwegs. Den Abend im Gleis1 jedoch fanden sie «unvergesslich ». Wegen der tollen Stimmung im vollbesetzten Raum. Am Tag darauf waren sie bereits zum nächsten Auftritt in Frankreich unterwegs. Und auch das Gleis1-Team war zufrieden: Direkt nach dem Anlass konnte Martin Meier zusammenfassen: «Der Umsatz stimmt. Und der Band konnten wir eine grosszügige Gage zahlen.» «Youngster» mit beachtlichem Repertoire Auch das Jazzkonzert am 2. Mai begeisterte das Publikum. Der junge Pianist Valentin Ammann brachte einen vielseitigen Strauss von Melodien aus dem «Great American Songbook» ins Gleis1. Eng war es geworden, denn viele Freunde des Jazz und Boogie-Woogie – vom Teenager bis zu schon Ergrauten – drängten ins Café; zusätzliche Bänke mussten behelfsmässig aufgestellt werden. Valentin Ammann am E-Piano, 18-jährig und bei Jazzfans seit einiger Zeit wohlbekannt als «Youngster» im Vorprogramm des jährlichen «Jazz am See», erfüllte die Erwartungen der vielen Gäste. Sein Repertoire an Jazzigem und anderen beliebten Melodien ist beachtlich. «Blue Moon» von Richard Rodgers, «Summertime» von George Gershwin oder «Somewhere over the Rainbow» von Harold Arlen sind nur einige Ohrwürmer, die der junge Künstler zum Besten gab; dazwischen kamen Boogie Woogies, Blues, Bossa Nova und zart interpretierte Balladen. Und auch er spielte den «Honky Tonk Train Blues» – wie eine Woche davor Emilie Richard, Chase Garrett und Chris Conz. In Valentin Ammann sind Talent, Fleiss und schnelle Finger zu einem sympathischen Entertainment verschmolzen. Dafür erntete er langen Applaus – eine Zugabe wurde verlangt, und noch eine. Das vom Jazzclub Greifensee unterstützte Projekt «Jazz am Gleis» der Restaurantbetreiber um Martin Meier und dem sehr freundlichen Personal erfüllt ganz offensichtlich das Bedürfnis Vieler.